Nina Bürgel

“[…] Die mittelalterliche Stadt Lindau ist alljährliches Ziel von ca. 3,5 Millionen Besuchern, was für Lindau nicht nur einen unverzichtbaren Wirtschaftsfaktor darstellt, sondern gleichzeitig zahlreiche Probleme mit sich bringt. Ein starkes Verkehrsaufkommen, Parkplatzmangel, Staus und Verkehrslärm stehen in Konflikt mit der hohen Lebensqualität von Anwohnern und Besuchern. Eine weitere Problematik verursacht der Hauptbahnhof Lindau im Westen der Insel nahe des Hafens. Dieser sollte seitens der Deutschen Bahn im Zuge der Elektrifizierung der Bahnstrecke München-Memmingen-Lindau-Bregenz-Zürich zugunsten eines neuen Bahnhofes an bestehenden Gleisanlagen in Lindau-Reutin geschlossen werden. Über die Jahrzehnte entstand zu diesem Thema eine scheinbar nie endende Debatte. Sie ist durch öffentliche Diskussionen, politische Verhandlungen zwischen der Stadt und der Deutschen Bahn, den Einbezug der Lindauer durch Bürgerentscheide, die örtliche Presse und mehrere Interessengruppen allgegenwärtiges Thema in Lindau. Der Grund für die Unstimmigkeiten besteht darin, dass die Stadt ihren Bahnhof auf der Insel aus zahlreichen Gründen beibehalten möchte und eine Einigung mit der DB bisher nicht möglich war. An diese Thematiken schließt sich das Potential der baulichen Erschließungen und der Neuordnung von Stadträumen an. Dies betrifft Flächen der Bahn, die in Reutin und auf der Insel still oder brach liegen, und das Areal im Westen der Insel, das derzeit von großen versiegelten Parkplätzen für Touristen belegt ist.
Im Hinblick auf einen sanften Tourismus und die Tatsache, für die Lindauer Bewohner einen attraktiven Wohn- und Lebensraum zu schaffen, ist eine Auseinandersetzung mit dem Areal im westlichen Bereich der Insel und das damit entwicklungstechnisch verbundene Areal in Reutin zwischen Bregenzer Straße und Ladestraße bzw. Bodenseeufer notwendig.
Die Arbeit mit dem Titel „Living Island“ gliedert sich in Entwurf und Theorie. Zu Beginn werden zahlreiche detaillierte Analysen bezüglich der Themen Geographie, historische Entwicklung der Insel, Bedeutung des Handels in Lindau sowie die aktuellen Themen Bahn, Bahnhof und Tourismus vorgestellt. Die sehr ausführliche Bestandsaufnahme steht in engem Zusammenhang mit vielen Einzelheiten, die voneinander abhängen. Sie ermöglicht sodann eine gesamtheitliche Planung, deren Konzepte und Visionen auf bestehenden Strukturen basieren oder von diesen abgeleitet werden, um den einzigartigen Charakter der Inselstadt zu erhalten.
Das Ziel ist es, den Entwurf, der sich vorrangig mit einer Strategie zur städtebaulichen Neustrukturierung des westlichen Bereichs der Insel beschäftigt, mit einer Planung zu kombinieren, die den gesamten Lindauer Stadtraum betrifft. Auf diese Weise können neue Verkehrskonzepte, der Umgang mit dem zunehmenden Tourismus, der Schutz von Natur und Bodensee und der Erhalt der typischen Atmosphäre der Insel langfristig und im Sinne der Nachhaltigkeit angestrebt werden.”(Auszug aus dem Vorwort)

Nina Bürgel